Erneuerung für einen wettbewerbsfähigen Standort
Der Wirtschaftsstandort Deutschland braucht Erneuerung, und die Pharmabranche ist für diese Transformation entscheidend: Sie steht für Innovationsstärke, große Wertschöpfung, hohe Produktivität und „Gute Arbeit“.
In einer unsicheren geopolitischen Lage stärkt sie die Krisenresilienz und technologische Souveränität Deutschlands. Um ihr Potenzial auszuschöpfen, sind Verbesserungen in drei zentralen Bereichen notwendig:
Fachkräfte für „Gute Arbeit“ gewinnen
„Gute Arbeit“ und qualifizierte Fachkräfte sind die Grundlage industrieller Wertschöpfung. Der spürbare Arbeitskräftemangel beeinträchtigt bereits jetzt die Wachstumschancen der Industrie – eine der größten Herausforderungen für die Wettbewerbsfähigkeit. Allein die Pharmaindustrie wird in den kommenden zehn Jahren etwa ein Viertel ihrer hochproduktiven Jobs neu besetzen müssen und zusätzliche Stellen schaffen. Um die Fachkräftelücke zu schließen, sind folgende Maßnahmen notwendig:
Mehr Produktivität durch Flexibilität in den Arbeitsmodellen
Die Voraussetzungen für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie müssen geschaffen und das Arbeitsrecht an die neue Flexibilität der Arbeitswelt angepasst werden.
Fachkräfte gewinnen und halten mit einem modernen Arbeits- und Einwanderungsrecht
Es braucht es eine sektorale Fachkräfteinitiative Pharma. Ausländische Expert:innen zu gewinnen, ist dabei eine Chance. Das moderne Einwanderungsrecht Deutschlands muss hierfür institutionell untersetzt werden. Vor allem der Zuzug in die duale Ausbildung und in das akademische System sollten dabei im Fokus stehen. Gleichzeitig müssen die Integrationskräfte der Gesellschaft gestärkt aus diesem Prozess hervorgehen. Dann wird aus der demografischen Krise eine Chance dynamischer Erneuerung.
Auf Fähigkeiten statt formale Abschlüsse setzen und Quereinstieg ermöglichen
Deutschland braucht außerdem eine Offensive in der Weiterentwicklung von Fähigkeiten, statt auf formalen Qualifikationen zu beharren. Erwerbstätige sollten ihre Erfahrung in produktiven Bereichen der Industrie möglichst lange einbringen können und mit dem Quereinstieg in innovative Branchen ein Aufstiegsversprechen verbinden. Lebenslanges Lernen ist der Schlüssel - das Qualifizierungsgeld dafür essenziell. Zielgerichtete Präventionsmaßnahmen ermöglichen ein gesünderes und längeres Erwerbsleben.
Industriepolitische Chancen ergreifen – technologische Souveränität herstellen
Die Erneuerung des Hightech-Industriestandorts ist entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg und die technologische Souveränität des Landes. Pharma bringt mit, was den Industriestandort in den vergangenen Jahrzehnten so stark gemacht hat: Produkte mit Weltmarktpotenzial und deren Herstellung im industriellen Maßstab. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, braucht es jetzt einen Modernisierungsschub und den schnellen Aufbau von Zukunftsindustrien. Folgende Schritte sind notwendig:
Förderung von Hightech-Investitionen durch mehr Planungssicherheit
Hightech-Investitionen müssen ins Land geholt werden: Diese brauchen Planungssicherheit, vor allem den Schutz geistigen Eigentums und offene Märkte. Eine gute öffentliche Infrastruktur und international konkurrenzfähige steuerpolitische Rahmenbedingungen sind wichtige Voraussetzungen. Bessere Abschreibungsmöglichkeiten können im Wettbewerb einen entscheidenden Vorteil bringen.
Stärkung von Produktions- und Innovationsclustern
Deutschlands Stärke ist der industrielle Technologieverbund: Hightech-Produkte und -Maschinen werden am gleichen Standort entwickelt und hergestellt. Diese Produktions- und Innovationscluster zu stärken, ist das industriepolitische Gebot der Stunde. Eine große Chance ist, die erste industrielle Anwendung und den Hochlauf innovativer Produktionsanlagen gezielt zu unterstützen. “Important Projects of Common European Interest” (IPCEI) können helfen, Netzwerkeffekte zu erzeugen und eine größere Investitionsdynamik anzuschieben. Vor allem aber kann ein Zeitvorteil gegenüber konkurrierenden Standorten entstehen, wenn die Administration und Bürokratie radikal vereinfacht werden.
Bürokratieabbau durch radikale Vereinfachung von Verwaltung und Regulierungen
Wenn Administration und Bürokratie radikal vereinfacht werden, kann ein Zeitvorteil gegenüber konkurrierenden Standorten entstehen.
Innovationsgeschehen ankurbeln – junge Unternehmen wachsen lassen
Innovation und die Förderung junger Unternehmen sind die Grundlage für eine international wettbewerbsfähige Industrie. Nur wenn Ideen auch kommerzialisiert werden und Unternehmen die Grundlagen für schnelles Wachstum vorfinden, lohnen sich Investitionen in neue Produkte und Geschäftsideen. Damit die technologische und unternehmerische Erneuerung in den kommenden Jahren an Dynamik gewinnt, braucht es eine gezielte Innovations- und Gründungsoffensive:
Fokussierung der Innovationsförderung für industrielle Innovatoren
Das notwendige Kapital muss erkennbar zur Verfügung stehen. Ein erster Schritt ist die Fokussierung der Förderlandschaft. Deutschlands Innovationsförderung ist zu kleinteilig und für viele Innovatoren schwer erreichbar. Zudem spielen Kooperationen mit der Industrie eine zu geringe Rolle. Chancen aus Verbundprojekten bleiben liegen.
Unterstützung von Start-ups durch Bürokratieabbau und bessere Durchlässigkeit zwischen Wissenschaft und Industrie
Das industrielle Innovationspotenzial wird nicht vollständig genutzt, da die Schwellenwerte für den Zugang zur Forschungszulage und das Volumen hier nicht zur industriellen Realität passen. Die Unterstützung von Gründer:innen hat Lücken. Diese stoßen auf hohe bürokratische Hürden, denen sie an anderen Standorten nicht begegnen. Um hier Tempo aufzunehmen, muss der Bürokratie schnell Einhalt geboten und die Durchlässigkeit zwischen Wissenschaft und Industrie gestärkt werden.
Attraktive Rahmenbedingungen in der Finanzierung für ein innovationsfreundliches Umfeld
Gute Ideen brauchen Geld. Das Wachstum von Innovationen bedarf einer guten Finanzierung aus Risikokapital und anderen Quellen. Gerade für Investoren bleibt Deutschland mit Blick auf die steuerlichen Rahmenbedingungen unattraktiv. Damit vielversprechende Ideen nicht in andere Teile der Welt wandern, braucht es eine Offensive für Innovationen und Gründungen in den Life Sciences.
Mit diesen Schritten kann Deutschland seine Position als führender Wirtschaftsstandort sichern und weiter ausbauen. Die Zeit für mutige Entscheidungen ist jetzt.
Aktuelle Positionen und Studien
vfa und IGBCE fordern politische Maßnahmen
Der Fachkräftemangel stellt die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der pharmazeutischen Industrie in Deutschland infrage. Die für die Pharmabranche zuständige Gewerkschaft IGBCE und der vfa fordern daher in einem gemeinsamen Positionspapier die Politik auf, dringend notwendige Maßnahmen zur Sicherung des Fachkräftepotenzials zu ergreifen.
IW-Studie zu Fachkräftemangel
Wie groß ist die Fachkräftelücke am Pharmastandort Deutschland, was sind die Folgen für die Branche und welche Auswege gibt es? Das hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer Studie im Auftrag des vfa erarbeitet. Dafür wurden sowohl die pharmarelevanten Berufe als auch die Clusterregionen in Deutschland betrachtet.
MarcoScope 09/24: Stille Fachkräfte-Reserven heben
Die Pharmaindustrie warnt vor den gravierenden Auswirkungen des Fachkräftemangels auf die Branche und die gesamte deutsche Wirtschaft. Eine aktuelle Analyse für den MacroScope Pharma Economic Policy Brief Ausgabe 09/24 zeigt, dass in der Pharmabranche bis 2034 jede vierte Stelle neu besetzt werden muss.
MacroScope 08/24: Die Wirtschaft 2025 ankurbeln
Das Wachstumspaket der Bundesregierung kann der deutschen Wirtschaft einen Schub geben. Insgesamt kann das Paket bei konsequenter Umsetzung im kommenden Jahr zu zusätzlicher Wirtschaftsleistung von rund 0,4 Prozent führen, zeigt eine Analyse des vfa für den MacroScope Pharma Economic Policy Brief Ausgabe 08/24.
MarcoScope 05/24: Pharma fängt Stellenabbau auf
Deutschlands Industriebeschäftigung sinkt und viele Branchen bauen Stellen ab. Die Pharmabranche indes investiert am Standort und in neue Arbeitsplätze – in der Regel mit besser bezahlten und produktiveren Arbeitsplätzen, bilanziert der MacroScope Pharma Economic Policy Brief Ausgabe 05/24.